Best of „Faust“. Ein Bericht zur Faust-Lesung vom 25. Oktober 2017
Hinzugefügt am 14. November 2017
„(Ich bin) ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Wer „Faust“, Goethes Klassiker schlechthin, gelesen hat, dem wird diese Vorstellung Mephistos sicherlich bekannt vorkommen. Am Mittwoch, den 25. Oktober 2017 wurde dieses und viele weitere Faust-Zitate der gesamten Jahrgangsstufe 12 sowie einigen interesssierten Lehrern nahegebracht.
Organisiert vom Rotary-Club fand an diesem Tag in der kleinen Kirche in Alzey nämlich eine Lesung zu „Faust I“ statt. Der Schauspieler, Sprecher und Autor Tino Leo und seine Schauspielkollegin Carolin Freund präsentierten die von Lavinia Heilig und Tino Leo auf 50 Minuten gekürzte Fassung, die, extra für die Oberstufe als Zielgruppe geschrieben, einen lebendigeren Blick auf Goethes Inhalte bieten sollte.
Bereits der Beginn der Vorstellung zeigte, wie gut die Darsteller die Gegebenheiten des Raumes nutzen konnten. Das Geschehen beginnt von der Kanzel aus, indem Gott von Mephisto, dem Teufel mit amerikanischem Akzent, zu einer Wette um den verzweifelten Gelehrten Faust aufgerufen wird.
Nachdem Mepphisto sich Faust zu erkennen gibt, und diesem einen Verjüngungstrank zur Steigerung seines Lebensgenusses verabreicht, beginnt ein zentraler Aspekt des Werkes: Die Tragödie um Gretchen, das gläubige und unschuldige Mädchen, in das sich Faust verliebt. Besonders Gretchens Naivität wurde in der Darstellungsweise der beiden Akteure deutlich. Knapp, aber verständlich wurden dem Zuschauer die tragischen Ereignisse im Leben der jungen Frau präsentiert: Der Mord an der eigenen Mutter durch einen Schlaftrank, den Gretchen von Faust erhalten hat. Der Tod von Valentin, Gretchens Bruder, ermordet von ihrem Geliebten, Faust. Und schließlich Gretchens Ende im Kerker, nach der Ermordung ihres eigenen Kindes.
Auch wenn durch die Reduzierung der Textmenge einzelne Zusammenhänge nicht vollends verständlich gemacht und die Frage nach Genuss und Schuld nur angerissen werden konnte, wirkte die Fassung insgesamt sinnvoll und in sich stimmig gekürzt. Auch den Mitschülern, die „Faust“ (noch) nicht gelesen hatten, wurde ein Gesamtüberblick geboten. Fast ganz ohne szenische Verdeutlichungen, Requisiten oder Kostüme, füllten die Schauspieler ihr Werk mit Emotionen. Die stimmlich sehr vielfältige Umsetzung des Stoffes verdient großen Respekt, da sie den Text, der zu 90 Prozent aus Originalzitaten besteht, deutlich lebendiger und greifbarer werden ließ.
Auch der Akzent des Teufels, der einigen zunächst befremdlich erschien, zeigte sich im Laufe des Stückes als hilfreich, um den jeweils sprechenden Charakter identifizieren zu können. Der Autor selbst, Tino Leo, beantwortete die Frage nach der Sprechweise Mephistos in der anschließenden Gesprächsrunde mit seiner Interpretation des Bösen: Englisch als Weltsprache verdeutliche, dass alles und jeder der Teufel sein kann.
Insgesamt zeigte die Lesung selbstverständlich nicht alle Aspekte und Interpretationsansätze von Goethes „Faust“, erreichte aber dennoch ihr Ziel, uns einen guten Gesamtüberblick zu verschaffen. Aus diesem Grund wurden unsere Erwartungen von der gelungenen Veranstaltung erfüllt.
Eingestellt von Leonie Harth / Me