Jobshadowing in Oulu, Finnland – Oder: Acht Schulen in fünf Tagen!

Hinzugefügt am 25. März 2020

9d4df48a 00e9 4458 8a24 a707e6d5d050

Als unsere finnische Kollegin Minna Hukkanen kurz vor unserem Abflug das Programm schickte, waren wir erst einmal sprachlos: Acht Schulen in fünf Tagen? Dazu noch Gespräche mit diversen Kollegen, Schulleitungen, etc.? Wie sollte das gehen? Fazit: Es ging ganz wunderbar und wir kehrten voll bleibender Eindrücke und Inspirationen heim.

Wir lernten Minna vor circa anderthalb Jahren auf einer Fortbildung in London kennen und waren von Anfang an fasziniert von dem, was sie uns über das finnische Schulsystem erzählte. Deutsche Medien führen regelmäßig das finnische Bildungssystem als vorbildlich an und wir waren nun neugierig, was uns erwarten würde. Ist das System tatsächlich so viel besser als unseres? Was können wir davon „mitnehmen“?

Zunächst einmal: der finnische Unterricht unterscheidet sich nicht grundlegend von dem unseren. Die Unterrichtskonzepte sind auf ähnlich hohem Niveau. Auffallend ist aber die hervorragende Ausstattung – und die war in allen Schulen top, ob in der Grund- oder Volkshochschule, in der Gesamtschule oder weiterführenden Schule. Jeder Lehrerarbeitsplatz verfügt über einen Laptop, eine hervorragende Dokumentenkamera und einen CTouch-Bildschirm. Nicht zu vergessen: Stabiles WLAN ist in Finnland selbstverständlich!

Für uns überraschend: Die Schülerinnen und Schüler arbeiten ausschließlich mit analogem Arbeitsmaterial – welches nebst Stiften, Radiergummis etc. selbstverständlich jedem Kind unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Die Lehrer hingegen arbeiten stark webbasiert. So sind Schulbücher digital über eine Online-Plattform abrufbar und Materialien aller Fächer dort unmittelbar zugänglich.

Auffallend ist auch, dass sich die Lernenden in Finnland wohlfühlen sollen. So ist eine schuhlose Schule keine Ausnahme und eine gemütliche Ausstattung selbstverständlich. Die Klassengrößen variieren von acht Schülerinnen und Schülern bis maximal 22 – und das Maximum wird auch nur dann erreicht, wenn ein Lehrer erkrankt. Individuelles Lernen und ein Eingehen auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Kinder ist so natürlich viel leichter möglich. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass Grundschüler (die Grundschule geht in Finnland bis Klasse 9) alle Werk- und Handarbeitsunterricht bekommen, da es der finnischen Gesellschaft wichtig ist, dass Kinder auch handwerkliche Tätigkeiten schulen, um zum einen selbst fit in diesen Bereichen zu sein, sich selbst helfen zu können und Dinge reparieren zu können, aber auch um neugierig gemacht zu werden für Arbeitsfelder in diesen Bereichen.

Besonders beeindruckt hat uns auch der Besuch des eLukio (e-Gymnasium). Unterricht findet hier für verschiedene Adressaten, wie z.B. Erwachsene, sich im Ausland befindliche Schülerinnen und Schüler oder sogar Häftlinge, ausschließlich online statt. Der Lehrer unterrichtet tatsächlich über weite Teile der Stunde per Webkamera, die Lernenden befinden sich gleichzeitig auf einer Onlineplattform, auf der sich das zu bearbeitende Material befindet. Auch Tests und Klausuren werden vorrangig online abgewickelt.

Am Ende bleibt festzuhalten: Der Stellenwert von Bildung ist in Finnland noch größer als bei uns. Bildung zeigt Perspektiven auf! Egal, wo wir waren: Finnen bilden sich auch gerne in ihrer Freizeit fort! Das Beispiel eines Gefängnisinsassen, der mit dem Besuch des eLukios aktiv an seiner Resozialisierung arbeitete und dadurch an Selbstbewusstsein gewann, weil er merkte, dass auch er etwas kann und in der Gesellschaft gebraucht wird, ist nur ein Beispiel, welches hier angeführt werden kann.

Im Übrigen ist die digitale Infrastruktur in finnischen Schulen so gut, dass unsere finnische Kollegin die Tage meldete, dass ihre Schule jetzt aufgrund der Coronakrise komplett aufs Online-Lernen umgestellt hätte. Soweit sind wir (noch) nicht, aber wir wissen jetzt, bei wem wir uns Rat holen können. Erasmus ist eben doch mehr, als eine schöne Reise in ein fremdes Land. Vielleicht erkennen wir in dieser Krise endlich, dass wir in Punkto Digitalisierung das Rad nicht neu erfinden müssen. Manchmal genügt ein Blick über die Landesgrenze hinaus: Von Finnland können wir diesbezüglich tatsächlich noch viel lernen.

Anfang März 2020 waren Frau Bähr und Herr Hillenbrand im Rahmen unseres aktuellen Erasmus-Projektes zur Digitalisierung von Schule für eine Unterrichtswoche zu Gast im finnischen Oulu.

Eingestellt von Hillenbrand / Me