Exkursion der 9. Klassen in die Gedenkstätte KZ Osthofen
Hinzugefügt am 25. September 2022
Exkursion der 9. Klassen in die Gedenkstätte KZ Osthofen
Im 11. Juli 2022 besuchten die Klassen 9a und 9c des Elisabeth-Langgässer-Gymnasiums die Gedenkstätte KZ Osthofen. Im Rahmen des Besuchs wurde des Weiteren ein Kooperationsvertrag zwischen der Schule und der Gedenkstätte geschlossen. Hannah Brunn, Schülerin der damaligen Klasse 9a (jetzt 10a), hat ihre Eindrücke des Tages in einem Bericht zusammengefasst, den Sie / ihr hier nachlesen können / könnt.
Eingestellt von Mario Wagner
Liebe Leserinnen und Leser,
in diesem Artikel erzähle ich über den Besuch der 9a im ehemaligen Konzentrationslager Osthofen. Am 11. Juli 2022 warteten wir mit unseren begleitenden Lehrkräften Hr. Wagner und Fr. König vor der Mensa auf den Bus. Leider hatte der Bus Verspätung, was uns aber nicht sonderlich in unserem Ausflug beeinträchtigte, sodass wir um 8:28 Uhr losfuhren. Als wir am KZ ankamen, wurden wir in einen Raum geführt, wo uns die Geschichte der Gedenkstätte durch eine Präsentation nähergebracht wurde. Das Geschehen innerhalb des Konzentrationslagers begann im Mai 1933 und wurde zwar stets öffentlich präsentiert, doch enorm propagiert. In der Presse fanden sich immer wieder Artikel, in denen der Aufenthalt dort verharmlost oder beschönigt wurde. Teils wurde ein Arzt gezeigt, der als Hilfsperson dargestellt wurde, doch der in Wirklichkeit bloß Unterschriften der Häftlinge während ihres Aufenthalts sammelte. Darunter waren tatsächlich nur 160 namentlich festgehaltene Juden.
Die Häftlinge setzten sich aus Orten in Oberhessen bis in die Provinz Rheinhessen zusammen. Berichte wurden teils mit Bildern versehen, die man absichtlich inszenierte. Die Häftlinge wurden beispielsweise in einen Raum gesetzt und man verlangte, dass sie vortäuschten, frisch gekochte Mahlzeiten zu essen. Nachdem die Bilder geschossen wurden, wurden die Insassen weggeschickt. Tatsächlich zu essen bekamen sie den Rest der Bauern, der zum Verkaufen nicht mehr gut genug war. Juden zwang man sogar Schweinefleisch zu essen und sie bei Weigerung bis zur „Verwirrung“ verschlagen zu lassen. Man behauptete, das Konzentrationslager sei eine Besserungs- und Erziehungsanstalt, beispielsweise für Marxisten. Diese wurden arbeitend gezeigt, sodass das Volk einen Einblick in deren Alltag bekam. Man zeigte auch Frauen. Diese wurden jedoch weitaus kürzer inhaftiert als Männer, weil man nicht wusste, mit welcher Arbeit sie sich „rechtmäßig“ bestrafen ließen. Ein wichtiger Punkt ist, dass in Osthofen niemand bewusst getötet wurde, jedoch wurden die Häftlinge so miserabel behandelt, dass sie bereits während und nach ihrer Freilassung kurz vor ihrem Lebensende standen. Dies wurde von Arbeiten bis zur Erschöpfung über Verhungern und Entkräftung bis hin zu physischer und psychischer Überlastung verursacht. Das KZ war bis Juli 1934 im Betrieb, bevor es aufgelöst wurde.
Nach dieser Einführung begann die tatsächliche Führung durch die Gedenkstätte. Wir starteten beim Eingang: Dort sah man rechts vom Eingang eine Schmiede und eine Krankenstation, in der niemand je behandelt wurde. Vorne befanden sich die Schlafräume der Wachleute. Die Wachmannschaft hatte eine attraktive Arbeit, weil sie keine elitären Ansprüche erforderte, aber einen guten Lohn einbrachte. Außerdem gab es nie einen Prozess oder juristische Verfolgung nach Schließung des KZs. Das Gebäude wurde dann umfunktioniert zu der sogenannten „Hildebrand und Bühner Möbelfabrik“, bevor es überhaupt zur Gedenkstätte wurde.
Weiterhin wurden wir in die Schlaf- und Aufenthaltshalle geführt. Sie ist eine ehemalige Fabrikhalle, das Gebäude ist kahl und steht unter einer hohen Luftfeuchte. Bis zu 250 Männer wurden darin untergebracht. Es muss purer Stress gewesen sein und Privatsphäre gab es auch keine. Die ersten Häftlinge schliefen auf nacktem Boden, was ihnen Krankheiten durch extrem niedrige Temperaturen und Pfützen nach Regentagen erbrachte. Ein wenig später durften sie übrige Materialien von Lager 2 als Bettpritschen umfunktionieren. Das Lager 2 war ein Turm in der Nähe, wo Häftlinge gefoltert wurden.
Der restliche Außenbereich setzt sich zusammen aus Hof, Toilette und Garten. Die Toilette war sehr leicht einsehbar, also auch sehr demütigend. Hygieneartikel gab es nur für Pressebesuche, es wurden weder Kleidung gewaschen, noch wurde sich geduscht. Man rieb sich seinen Dreck stattdessen einfach mit Sand ab. Die Statuen, die im Jahr 2000 im Hof ihren Platz fanden, repräsentieren das Grundthema Gewalt. Manche beziehen sich mehr und manche weniger auf die Situation im KZ. Schlussendlich fragt man sich, was nach der Inhaftierung passierte, wenn keiner ermordet wurde. Der Garten galt als Rückzugsort, somit als Fluchtmöglichkeit. Man denkt, dass viele versuchten zu entkommen, doch es waren gerade einmal zwei. Willi Vogel schaffte es nach Spanien, wurde von dort aus über Frankreich abgeschoben, landete in Afrika, kämpfte sich dann für die Briten gegen sein Vaterland bis nach Italien. Max Schornicki flog nach Südfrankreich, änderte seinen Namen zu Schornitzki und starb beim Todesmarsch nach Dachau, weil Südfrankreich besetzt wurde. Die meisten kamen bei dem Versuch um, waren körperlich nicht mehr fähig, waren eingeschüchtert oder dachten, das Risiko sei es nicht wert. Die Häftlinge sahen ihre Haft sogar eher ein und wollten sie überstehen, weil sie dachten, sie wären ihrer Familie eine Last, wenn sie als Pflegefall aus dem KZ zurückkamen. Die wenigsten fanden wieder Anschluss im übrigen Leben. Sie waren aufgrund ihrer Hintergrundgeschichte im KZ beeinträchtigt und traumatisiert.
Nach unserer Führung wurde ein Vertrag unterschrieben, sodass wir uns nun als Kooperationsschule für die Gedenkstätte in Osthofen bezeichnen dürfen.
Hannah Brunn
Eingestellt von Hannah Brunn/ Wagner/ Bn