Tödlicher Handel? - Voll Banane!

Hinzugefügt am 12. September 2016

Tödlicher Handel? – voll Banane!

Mehr Regeln für den Handel mit Bananen als mit Waffen – Amnesty International will das öffentliche Bewusstsein schärfen

 

[Ein Gespräch des bilingualen Sozialkunde Kurses (MSS 12) von Frau Sacco-Haupt mit Kai Hüwelmeyer über Rüstungstransfers und ihre Folgen]

 

Am Freitag, den 24.06.2016, traf sich der Sozialkunde-bilingual-Grundkurs der MSS 12 unter Leitung von Frau Sacco-Haupt in Raum 227 für eine eindrucksvolle Diskussionsrunde mit Kai Hüwelmeyer, Mitglied der Koordinationsgruppe Rüstung, Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International.

Sozi Vortrag

Zuvor wurde eine Reihe zu Menschen- und Bürgerrechten im Unterricht durchgenommen, die zwar als Stoff für die Kursarbeit relevant war, jedoch im Alltagsleben noch deutlich mehr Relevanz zeigt. Neben Einzelfallstudien zu Menschenrechtsverletzungen (wie Folter, einem Einblick in den Syrien-Konflikt, oder Organhandel) wurde auch ein besonderer Fokus auf Waffenrechte in den USA gelegt, mit dem Hintergrund der amerikanischen Historie und heutigen Relikten im politischen Geschehen von Zeiten des Frontiers, der WestwardExpansion, Bürgermilizen und der Angst vor einem imminenten Zentralstaat, ähnlich dem, dessen man sich losgesagt hatte. Mit diesem Vorwissen und gerade auch unter Anbetracht aktueller Ereignisse in den Vereinigten Staaten von Amerika, wie das Massaker in Orlando, aber auch mit Berücksichtigung eines aufkeimenden Rechtspopulismus – nicht nur erkennbar an der AfD in Deutschland, oder den Pendants ÖVP in Österreich oder etwa Lega Nord in Italien, sondern auch während den Präsidentschaftswahlen der USA –, konnte sich der Kurs nun neben einem Blick auf Deutschland, einem tiefergehenden Blick auf globale menschenrechtliche Folgen widmen, denen Amnesty entgegenzuwirken bemüht ist.

Entgegen dem geltenden Klischee entweder Freigeist oder Rationalist zu sein, studierte Hüwelmeyer Philosophie und Physik und strebt die Promotion im Bereich Philosophie an. Bei Amnesty engagiert sich Hüwelmeyer seit gut 10 Jahren, da er, als er wie wir in der Oberstufe war, feststellte, dass „viele Dinge nicht gut laufen“ – Motivation für ihn, sich nicht mehr länger nur zu informieren, sondern etwas zu unternehmen. Nach einführenden Fakten und Begrifflichkeitsklärungen rund um die Thematik, fokussierte Hüwelmeyer sich auf die Einordnung in eine globale Dimension hinsichtlich der größten Exporteure und den aktuellen Trends im weltweiten Waffenhandel, ehe er die deutsche Rüstungspraxis auf den Prüfstand stellte, gerade im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und der tatsächlichen Praxis – etwa, in welchem Umfang Deutschland jährlich Waffenexporte genehmigt und an wen diese gelangen). Abschließend widmete er sich den konkreten Lösungsansätzen Amnesty Internationals zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels, wie beispielsweise dem Arms Trade Treaty (ATT).

Im gesamten Gespräch reden wir von Rüstungstransfers, da Hüwelmeyer argumentiert: „Mit dem Wort deckt man mehr Phänomene ab als mit dem Wort Waffenhandel“. Denn häufig wird er mit Fehleinschätzungen unter den Bürgern konfrontiert. So sind es nicht etwa Panzer, die den größten Schaden anrichten (wenn man in den ethisch-moralischen Bereichen, in denen es um nichts anderes als das bloße Menschenleben geht, einen Schaden rational messen kann), da Panzer, aus offensichtlichen Gründen, schwerer auf dem Schwarzmarkt angeboten werden können, wohingegen es gerade Kleinwaffen, oder sogenannte leichte Waffen ( oder „less than lethal“ – im Deutschen, seiner Meinung nach kritisch verharmlosend in „nicht tödliche Waffen“ übersetzt) brisant sind. Eben diese Kategorien von Waffen kamen bei etwa 60% der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz. Auch werden diese häufig für angebliche „crowd control“ eingesetzt, jedoch ist es leider Interpretationssache, was ein Aufstand ist, der niedergeschlagen wird, und was nur friedliche Demonstration.

Auch Deutschland sollte seine Stellung überdenken: Rüstungsindustrie ist bei uns Privatwirtschaft, darunter fallen nicht nur Produktion und Export, häufig vergessen ist alles darum herum: Logistik, brokering, Finanzierung, oder Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur, oder etwa spezielle Ausbildungen, um die Geräte zu bedienen. Der Anteil an Exporten Deutschlands in Drittländer steigt. Inwiefern ist es ethisch vertretbar, im eigenen Land strenge Waffengesetze zu haben, und dann en masse Waffen zu exportieren? Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass Deutschland durchaus an menschenrechtlich bedenkliche Staaten liefert oder in eher fahrlässiger Manier Produktlizenzen vergibt.

Gewaltsame Konflikte und Rüstungstransfers gefährden vielerorts die Millenniumsziele der UN. Daher hat Amnesty International es sich zum Ziel gesetzt, präventive Menschenrechtsarbeit zu leisten, um den Folgen fahrlässiger Rüstungstransfers vorzubeugen: Waffenmissbrauch, wie auch sexuelle Misshandlung oder Massenvergewaltigung unter Waffengewalt. Mit einem Blick auf die Flüchtlingskrise bleibt auch hier die Ursache in gewaltsamen Konflikten festzuhalten, die durch Rüstungstransfers nur weiter geschürt werden: Menschen fliehen aus ihrer Heimat.

Der Weg ist langwierig. 2003 startete Amnesty eine große Kampagne zum Arms Trade Treaty. 2013 erst findet die erste offizielle ATT Conference statt. Trotz des Vetos von Iran, Nordkorea und Syrien beschließt die UN Generalversammlung das ATT. So ist es zwar beschlossen und unterzeichnet, sogar auch aktiv in Kraft getreten, jedoch noch nicht offiziell ratifiziert. Weiteres Problem hierbei, bei einem Verstoß sind keine Sanktionen unter den 82 Vertragspartnern vorgesehen.

Amnesty formuliert eine goldene Regel: Rüstungstransfers müssen verboten sein, wenn das Risiko besteht, dass sie zu schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen beitragen. Ihre Forderungen nach mehr Kontrolle und Transparenz haben alle ein großes Ziel: dass Menschenrechte ein verbindliches und einklagbares Recht werden.

Amnesty International kämpft vielerorts für das, was für uns selbstverständlich ist. Zeit für uns, Dankbarkeit zu zeigen und Unterstützung zu bieten.

 

Eingestellt von Sarah Arnold